Medikamentendosierung: Fehler um den Faktor 10 Gemäss Bulletin 21/2009
Fehler um den Faktor 10 bei der Medikamentendosierung 1998 bis 2008 Verabrei- chungsweg Entdeckung des Fehlers Fall Nr Medikament Dosis-Fehler oral teral Darreichungsform Mechanismus
Ass. Arzt hatte die Dosierung von Pethidin im Kopf und schrieb 25
komplizierte Verordnung: "Methadon 1%, 10 mg/ml, 1 ml". Gegeben wurden davon 10 ml
Im KIS nur Verordnung in ml oder mg möglich, nicht beides zugleich. Auf der Flasche s teht aber "mg/ml". Folge: fals ches ablesen
Intoxikation Rehospitalisa- Verrutschen um eine Zeile im KIS. klinsiche
Sensibilität für Stunden bis Thorakal 12
Pat.hat manipuliert, weil verwirrt50`000 E statt 5000 E/24 Std.
statt 20 mg 200 mg als Kurzifuison fehlende
für 2 Tage. Umrechnugsfehler der Ampullen für die
neues Kardexblatt: die Pflege hielt die bisherige Dosis vom 10 Tbl./Tag für zu hoch und
statt 2 Tbl. à 1 mg: 2 Tbl. à 10 mg sofort bemerktkomplex: As s. schreibt Selipran-Dosisstärke (40 mg) in die Zeile der Nebilet-Verordnung. Also: Nebilet 40 mg: ¼ Tbl. Pflege fragt nicht zurück. Pat. erhält 10 mg statt 1.25 mg Nebilet; weil die Pflege keine 40-mg Tbl. von
telemetrische Nebilet findet, verabreicht sie 2
An einem Tag 200 mg statt 20 mg, Schrift des Ass. unleserlich; es war eine Nachverordnung, die mit der Pflege nicht abgesprochen
Kommentar In der Tabelle sind die 10-fachen Dosierungs- Fehler der Jahre 1998 bis 2008 zusammengestellt. Sie stellen Spezialfälle der Fehldosierungen dar und betreffen gesamthaft rund 4% der Fehler in der Pharmakotherapie, aber wegen der massiven Über- oder Unterschreitung der richtigen Dosierung ist diese Kategorie besonders wichtig. Es ist deshalb auch wichtig, den Gründen für das Zustandekom-men solcher Dosierungsfehler nachzugehen. Die Angaben stammen wie immer von den Komplikatio-nen-Erfassungsblättern; in einzelnen Fällen wurden zusätzliche Informationen durch Rückfrage in der Klinik erhalten. Die Tabelle zeigt die 21 Patienten. Bei 7 Personen war ein Opioid involviert, 6 x handelte es sich um Überdosierung und 1 x um Unter-dosierung. In den Fällen 3 bis 5 konnte die Pflegeperson die Verordnung nicht richtig umsetzen. Dies wegen auf unter-schiedliche Art irreführender Verordnungen und Bezeichnungen im Klinikinforma-tionssystem oder auf den Medikamentenbehältern. Die Umrechnung von mg in ml machte Schwierig-keiten, die komplizierte Verordnung im Fall 4 führte vermutlich gerade deshalb zu einem Fehler, weil man mit der Angabe im KIS eigentlich jede Unklarheit beseitigen wollte; das Gegenteil aber wurde erreicht. Im Fall 5 bestand ein anders gelagertes Problem, aber auch hier war es nicht möglich, von der mg-Menge zum richtigen Volumen der Trinklösung zu gelangen. Eine Methadonbereitstellung auf der Bettenstation erfordert obligatorisch eine Zweitkontrolle, die auch visiert werden muss. Methadon ist nicht als Fertigarzneimittel in Form einer Trinklösung verfügbar. Deshalb existiert dazu kein offizieller Kompendiumstext. Der zuständige Apotheker sollte im Sinne der Sicherheit deshalb für eine interne Produkteinformation mit Applikationsempfehlungen sorgen. Bei der Beschriftung der Methadonlösung sollte auf %-Anga-ben verzichtet werden. Die Angabe Menge/Volumen, also mg/ml genügt. Eine Umrechnungsproblematik ergab sich auch im Fall 13, in welchem wegen der Angabe der %-Stärke der Seropram-Lösung die Umrechnung in die mg-Menge misslang. Der Fall 7 demonstriert auf eindrückliche Art, was passieren kann, wenn man in der elektronischen Verordnungsliste um eine Zeile verrutscht. Solche Listen sind offenbar noch nicht intelligent genug gestaltet, dass sie in jeder Beziehung als Fehler-verhindernd betrachtet werden könnten. Hier wurde dadurch ein Fehler begünstigt. Als Folgerung ergibt sich aus den Problemen mit der Umrechnung zwischen mg und ml oder %:
Die Pflegepersonen haben Probleme, eine mg-Menge in ein Lösungsvolumen umzurechnen. Die Ärzte müssen neben der Menge (g, mg) immer auch das Volumen der Lösung angeben,
Widersprüchliches wird damit eher entdeckt, als wenn man der Pflege allein die Umrechnun-
Leider funktioniert in unseren Spitälern das 4-Augen-Prinzip oft nicht richtig oder gar nicht, ge-
rade in dringenden Situationen oder bei der Applikation von Schmerzreserven zu Randzeiten.
Die Pflege muss informiert werden, welches Präparat zu verwenden ist: d.h. genau die Marke,
die im Hause vorhanden ist, auch wenn es sich um eine hausinterne Zubereitung handelt, wie das beim Methadon immer der Fall ist.
Computer-Medikamentenlisten können Fehler nicht nur verhindern, sondern auch provozie-
ren, weil manche Listen unintelligent angelegt sind.
Bei den Fällen 6, 7, 14, 16, 18, 19, 20 fällt auf, dass bei den Tabletten jeweils auch die 10-fache Do- sierung als Einzeldosierung existiert. Allerdings lautet der Markenname der höheren Dosierung beim Torasemid z.B. Torem 200® oder Torasemid Sandoz® eco 200, ist also verschieden vom Markenna- men Torem® oder Torasemid Sandoz®, unter welchen Bezeichnungen es Tabletten à 2,5, 5 bzw. 10 oder 20 mg gibt. Bei Haldol® hingegen figurieren Tabletten zu 1 und 10 mg unter dem gleichen Mar- kennamen. Die Medikamentenschachteln für Haldol 1mg und Haldol 10 mg weisen dazu noch eine verblüffende Ähnlichkeit auf (look alikes). Auch unter dem gleichen Markennamen gibt es bei bei Arava® die Tabletten zu 10 und 100 mg, beim Spiricort® 5 und 50 mg, sowie bei MST®Continus® Tabletten zu 10, 30, 60, 100 und 200 mg. Folgerungen:
Die präzise Markenbezeichnung ist auch hier wichtig. Besondere Aufmerksamkeit erfordert es, wenn auch die 10-fache Tablettendosierung der zu
verordnenden Dosis existiert, und dies sogar unter dem gleichen Markennamen. Denn hier können einfache Übertragungsfehler oder unklare Handschriften oder das Anklicken der fal-schen Zeile die 10-fache Über- oder Unterdosierung begünstigen.
Von 10-facher Fehldosierung weniger betroffen sind vermutlich Medikamente, die in 10-facher
Dosierungsstärke nicht existieren, sondern z.B. in nur 8-facher oder 5-facher. Aufgrund eines
Übertragungsfehlers von 10 zu 80 mg zu gelangen, ist weniger wahrscheinlich als auf 100 mg, weil mit der 8 eine ganz andere Ziffer ins Spiel kommt. Auch ist der Irrtum, von Cosaar® 12.5 mg via falsche Übertragung auf die andern existierenden Dosisstärken von 50 mg oder 100 mg zu kommen weniger wahrscheinlich, als auf 125 mg zu kommen, wenn es solche Tablet-ten gäbe (es gibt aber keine Tbl. zu 125 mg).
Die nicht-dezimale Vervielfachung von Dosierungsstärken hätte also vermutlich Vorteile in
Bezug auf die Medikamentensicherheit, v. a. aus visuellen Gründen.
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