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Themenbereich 1: Wie können wir glauben?
Feministisch-theologische Basisfakultät: Das Erbe der Sklaverei im
Leben von Mädchen und Frauen überwinden – ein Thema für die
Der lange Schatten der Sklaverei über dem Leben von Mädchen und Frauen
Am 8. Oktober 1865 machte eine weiße Frau der amerikanischen Südstaaten namens El a
Gertrude Clanton Thomas eine Tagebucheintragung. Der Süden war im Bürgerkrieg besiegt
und die Sklaverei abgeschafft worden. Nun war ihr Glaube zutiefst erschüttert. Sie schrieb:
Mehr als 90 Neger nannten wir unser eigen mit der Aussicht, noch viele mehr von Papas
Landsitz zu erben. - Aber durch die Kapitulation der Südstaatenarmee gehört die Sklaverei
nun der Vergangenheit an. Bis dahin hatte ich nicht gewusst, wie eng mein Glaube an die
Offenbarung und mein Glaube an die Institution der Sklaverei miteinander verwoben waren. -
Zwar hatte ich das Böse in letzterem wahrgenommen, doch wenn die Bibel Recht hatte,
dann musste es auch Sklaverei geben. Die Sklaverei ist nun abgeschafft und mein Glaube
an das heilige Buch Gottes zutiefst erschüttert. Eine Zeit lang zweifelte ich an Gott. Wenn
ich die Bibel öffnete, sprangen mir zahlreiche Andeutungen auf Sklaverei wie Hohn in die
Augen. Unsere Sache war verloren. Gute Menschen hatten an diese Sache geglaubt. (1)
(1) The Secret Eye: The Journal of El a Gertrude Clanton Thomas, 1848-1889,
Hrsg. Virginia Ingraham Burr (Chapel Hil : University of North Carolina Press, 1990) 276-77.
Diese christliche Frau wurde durch die Besiegung der Sklaverei erschüttert, weil dies für sie
einer Besiegung der biblischen Werte gleichkam. Die Bibel akzeptiert Sklaverei und wenn es
nun keine Sklaverei mehr geben sol te, hatte sie Schwierigkeiten an die Bibel zu glauben.
Für sie gab die Bibel göttlich verfügte gesel schaftliche Institutionen vor. Wenn nun eine
Institution aufgehoben wurde, worauf konnte sie da noch vertrauen? Ihre ganze Welt brach
Text wie von Autor/in bereitgestel t. Es gilt das gesprochene Wort.
Veröffentlichung nur mit Genehmigung der Verfasserin/des Verfassers.
zusammen. Sie hatte sich darauf gefreut, mehr als 90 Menschen als Eigentum zu erben,
aber nun, so schreibt Gertrude Thomas, war sie zur "bloßen Bettlerin" geworden. Sie erzählt
weiter, dass sie kein Interesse mehr an der Kirche hatte, "kein Verlangen nach Vertiefung
des spirituel en Glaubens". Wie konnte so etwas geschehen? Wie konnte der christliche
Glaube eines Menschen von Sklaverei abhängig sein? Das war der Fal , weil im 19.
Jahrhundert die Sklaverei für das amerikanische Christentum dem gleich kam, was heute
Sexualität, Fortpflanzung und die Ordinierung von Frauen darstel en, d.h. soziale
Brennpunkte, auf die Menschen ihren Glauben setzen.
An der Brandeis Universität, an der ich die (Abteilung für) Feministische Sexualethik leite,
arbeiten wir daran, eine jüdisch-christlich-muslimische (jüdische, christliche und
muslimische) Sexualethik zu schaffen, wobei wir uns auf sinnvol en Konsens und
gegenseitigen Austausch konzentrieren. Wir streben eine Welt an, in der keine(r) zu Sex
gezwungen wird und in der Sex für al e Beteiligten ein Vergnügen ist.
Das Tolerieren von Sklaverei in den heiligen Texten des Juden- und Christentums und des
Islams weist darauf hin, dass die Werte von gegenseitiger Achtung und gegenseitigem
Einverständnis kein zentrales Thema der Sittenlehre dieser Religionen war. Die Vorstel ung,
dass ein Mensch den Körper eines anderen Menschen besitzen kann, ist in der Ethik - und
damit auch in der Sexualethik - al er drei Religionen eingebettet.
Wenn wir von Sexualethik sprechen, so implizieren wir traditionel e Fragen der Sexualmoral.
Dazu gehören Entscheidungen des einzelnen Menschen wie vorehelicher Sex oder sexuel e
Orientierung. In einer erweiterten Definition schließen wir auch Fragen öffentlicher und
religiöser Verhaltensmaßnahmen mit ein, z.B. Vergewaltigung, sexuel e Belästigung,
sexuel er Kindesmissbrauch oder sexuel e Übergriffe seitens kirchlich ordinierter Mitarbeiter
zu verhindern und darauf zu reagieren ist; weiters wie wir die Fortpflanzungsfreiheit und die
In unserem Projekt 'Feministische Sexualethik' geben wir einen Überblick, wie durch die
Geschichte hindurch die Religion die Sklaverei unterstützte und wie die Sklaverei die
Religion formte. Wir beschreiben das Leben versklavter Frauen und Mädchen und die
moralischen Entscheidungsschwierigkeiten, mit denen sie konfrontiert wurden. Wir sprechen
auch über das Verhalten Sklaven haltender Frauen und über die sexuel e Dynamik der
Sklaverei. Wir sind der Ansicht, dass wir ohne das Wissen um diese Geschichte das dunkle
Erbe der Sklaverei nicht überwinden können.
Im Folgenden konzentriere ich mich auf das Erbe der Sklaverei als einer legalen
gesel schaftlichen Institution in den USA. Dies kann uns dann als Grundlage in der
Diskussion über gegenwärtige Formen von - tatsächlicher - Sklaverei in Europa und
anderswo dienen. Wie ich sehe, betrachten manche EuropäerInnen das Sklaventum in den
USA als nicht relevant für die europäische Erfahrung. Trotzdem hoffe ich, dass das genaue
Hinsehen, wie amerikanische Christen die Bibel während der Zeit der legalen Sklaverei
interpretierten, europäischen ChristInnen helfen kann, in ihrer eigenen Bibelinterpretation
kritischer zu werden und dabei mehr über sich selbst nachzudenken.
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Die meisten Amerikaner sind der Meinung, dass die Sklaverei der Vergangenheit angehört
und ihre Auswirkungen nicht mehr zu spüren sind. Die Sklaverei unserer Geschichte
beeinflusst aber immer noch unsere gegenwärtige Gesel schaft. Die Wertvorstel ungen der
Sklaverei - Eigentum, Macht und Herrschaft - widersprechen den Werten von Einverständnis
und Gegenseitigkeit. Trotzdem haben das Juden- und Christentum und der Islam traditionel
die Sklaverei akzeptiert, wenn auch in unterschiedlichen Formen. Die Wertvorstel ungen der
Sklavenhalter haben diese Traditionen beeinflusst, besonders in ihren Lehren über Ehe und
In den Tagen der amerikanischen Plantagensklaverei war es dem Sklaveneigentümer vom
Gesetz her erlaubt, seine Sklavenfrau zu vergewaltigen, sie dazu zu zwingen, den sexuel en
Missbrauch ihrer Kinder zu ertragen und ihre Kinder zu verkaufen. Inmitten al dieses
Missbrauchs lehrten weiße Prediger die versklavten Menschen, ihren Herren in al em zu
gehorchen - genau so wie es in der Bibel steht. Die versklavte Frau, die ihren Unterdrückern
widerstand und ein Familienleben schuf, musste dies gegen gesetzliche und religiöse
Die Nachkommen dieser Frauen kämpfen immer noch mit dem Erbe der Sklaverei, wie ich
Die Bibel des Christentums spielte eine führende Rol e im amerikanischen Disput um die
Sklaverei und prägt auch weiterhin das kulturel e Verständnis von Frauen und Sexualität.
Das Neue Testament predigt die Unterordnung der Ehefrauen, Kinder und versklavten
Menschen. Dies hat die christliche Sexualethik zutiefst beeinflusst.
Im Hinblick auf unsere Sexualmoral prägt die Bibel immer noch die öffentlichen
Verhaltensregeln und Denkweisen, sowie unser Gesetz. Insofern beeinflusst sie Christen
und Nicht-Christen in gleicher Weise. So benutzen religiöse und politische Leitfiguren in den
USA eine biblische Sprache, um den Keuschheitsgedanken in religiös (alternativ: im
Glauben der Menschen) verankerten Initiativen zu unterstützen, um z.B. die Institution der
Ehe als einen Teil der Sozialreform zu proklamieren und um sich gegen
gleichgeschlechtliche standesamtliche Trauungen zu stel en. Um das Erbe der Sklaverei zu
überwinden, müssen wir in den USA neu darüber nachdenken, wie wir die Bibel benutzen.
In unserem Projekt Feministische Sexualethik konzentrieren wir uns auf das Erbe der
Sklaverei und dessen Auswirkungen auf das Leben und die Sexualität von Mädchen und
Frauen. Wir glauben nämlich, dass das Erbe der Sklaverei das größte Hindernis darstel t,
eine Gesel schaft zu schaffen, in der beide, sowohl Frauen wie auch Männer, ein
verantwortungsvol es, freudvol es und auf gegenseitiger Zustimmung beruhendes
Sexual eben führen können. Wir helfen religiösen Gemeinschaften, über die
Wertvorstel ungen der Sklavenhalter hinaus zu wachsen und ethische und soziale Strukturen
zu schaffen, die auf Freiheit und Würde aufbauen. Zur Zeit forschen wir auf folgenden
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- Versklavte Frauen und Mädchen im Urchristentum, im frühen Judaismus und Islam
- die Auswirklungen der Sklaverei auf die christliche Sexualethik
- der christliche Einfluss auf die amerikanische Sklaverei
- der religiöse Glaube der versklavten Frauen
- das Erbe der Sklaverei in den Vereinigten Staaten
- Wie können wir eine Sexualethik schaffen, die von den Wertvorstel ungen der
Im Folgenden konzentriere ich mich auf das Christentum, um ein zusammenhängendes Bild
geben zu können. Aber innerhalb unseres Projektes haben wir Forscherinnen, die über die
Sklaverei im Islam und im Judaismus arbeiten, nämlich die Expertin für das frühe islamische
Gesetz Kecia Ali, die Talmudistin Gail Labovitz und die Mittelalterspezialistin Deborah
Die Tagebucheintragung von El a Thomas über ihre Glaubenskrise bei Abschaffung der
Sklavenhaltung, die ich eingangs zitierte, führt uns drastisch vor Augen, wie eng doch im 19.
Jahrhundert Bibel und Christentum mit der Sklaverei verbunden waren. In der Tat beriefen
sich praktisch al e Befürworter der Sklaverei auf die Bibel und deren Unterstützung dieser
Einrichtung. Jefferson Davis, der Präsident der Südstaaten während des amerikanischen
Sezessionskrieges, verkündete. "[Die Sklaverei] wurde durch ein Vermächtnis des
al mächtigen Gottes eingesetzt.sie wird in der Bibel bestätigt, in beiden Testamenten, vom
1.Buch Moses bis zur Offenbarung. sie existierte in al en Zeitaltern, unter Menschen der
höchsten Zivilisationen und in Nationen mit höchster künstlerischer Schaffenskraft." (2)
(2) Jefferson Davis, constitutionalist, his letters, papers, and speeches, gesammelt und
herausgegeben von Dunbar Rowland (Jackson, MS: Mississippi Department of Archives and
War die Annahme von Gertrude Thomas (immer nur El a?) und Jefferson Davis falsch, wenn
sie dachten, dass die Bibel die Sklaverei unterstützte? Hatten sie die Bibel falsch ausgelegt
oder angewandt? Nein, sie lagen nicht völ ig daneben. Das Neue Testament gebietet
versklavten Christen ausdrücklich, in al en Dingen ihren Herren untertan zu sein (Kol. 3, 22-
25; Eph. 6, 5-8; Tit. 2, 9-10; 1. Petr. 2, 18-25).
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Weiße Sklavenhalter pflegten weiße Prediger anzustel en, die den versklavten Menschen,
die auf ihren Plantagen schwere Arbeit verrichteten, predigten. Oft sprachen sie über diese
neutestamentlichen Texte, die Haustafeln genannt wurden. Eine solche Tafel finden wir in
dem Brief an die Kolosser 3, 18 -4,1. Sie lautet wie folgt:
18 Ihr Frauen, ordnet euch euren Männern unter, wie sich's gebührt in dem Herrn.
19 Ihr Männer, liebt eure Frauen und seid nicht bitter gegen sie.
20 Ihr Kinder, seid gehorsam den Eltern in al en Dingen; denn das ist wohlgefäl ig in dem
21 Ihr Väter, erbittert eure Kinder nicht, damit sie nicht scheu werden.
22 Ihr Sklaven, seid gehorsam in al en Dingen euren irdischen Herren, nicht mit Dienst vor
Augen, um den Menschen zu gefal en, sondern in Einfalt des Herzens und in der Furcht des
23 Al es, was ihr tut, das tut von Herzen, als dem Herrn und nicht den Menschen,
24 denn ihr wisst, dass ihr von dem Herrn als Lohn das Erbe empfangen werdet. Ihr dient
25 Denn wer unrecht tut, der wird empfangen, was er unrecht getan hat; und es gilt kein
Sie sehen, dieser Brief stel t sich einen Haushalt mit untertänigen Frauen, Kindern und
versklavten Menschen vor. Der Schreiber ruft al erdings die Ehemänner, Väter und
Sklavenhalter auf, zu lieben und nicht bitter gegen die Schwächeren zu verfahren. Aber nun
wol en wir uns auf einen ungewöhnlichen Blickwinkel einlassen. Wir versuchen uns
vorzustel en, wie ein Sklavenmädchen oder eine Sklavenfrau des Urchristentums diesen
Zunächst muss ich aber einige Unterschiede zwischen der Sklavenhaltung in den USA und
im römischen Imperium erklären. In der Antike basierte die Sklaverei nicht auf einer
bestimmten Rasse. Menschen al er ethnischen Abstammungen wurden versklavt. Im
Gegensatz zu den Vereinigten Staaten kamen Freilassungen oft vor. Viele Menschen kamen
aus der Sklaverei frei, manche konnten dazu selbst während ihrer Sklaverei Geld ansparen.
Viele versklavte Menschen waren gut gebildet und besaßen besondere Fertigkeiten. Viele
lasen ihren Eigentümern vor oder dienten ihnen als Schreiber. Manche Menschen,
besonders Männer, waren Sklaven von Herren mit sehr hohem Rang, z.B. des römischen
Kaisers. Sie genossen innerhalb der Gesel schaft sehr hohe Positionen und konnten z.B. als
eine Art Botschafter dienen. Wenn solche Menschen die Freiheit erlangten, hatten sie die
Möglichkeit, wirtschaftlich aufzusteigen. Befreite Männer und Frauen hatten al erdings ihren
früheren HerrInnen gegenüber immer noch Arbeitsverspflichtungen. Mit anderen Worten, es
gab drei verschiedene Rangordnungen: versklavt, befreit und frei. Aus Sklaven wurden nicht
einfach freie Menschen. Versklavte wurden zunächst befreit und hatten immer noch Arbeiten
für ihren früheren Eigentümer zu verrichten. Dieser konnte eine Mann oder eine Frau sein.
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Veröffentlichung nur mit Genehmigung der Verfasserin/des Verfassers.
Nach dem römischen Gesetz konnten verheiratete Frauen Eigentum unter ihrem eigenen
Namen führen und viele Frauen besaßen auch Sklaven.
Als das Urchristentum in die römische Welt eindrang, war dieses noch keine Institution. Eine
Fül e von Möglichkeiten stand offen. Heute kann man sich schwer vorstel en, dass die frühen
Christen ganz andere Wege hätten einschlagen können, als der Fal war. Die Richtungen,
die sie wählten, hatten äußert lange Folgen, besonders jene, die als Teil der Bibel
kanonisiert und für die kommenden Generationen bestimmend wurden. Eine Wahl al erdings
schien ihnen wohl geschichtlich unmöglich: die vol kommene Abschaffung der Sklaverei. Sie
hätten aber z.B. die Christen dazu aufrufen können, keine Sklaven zu halten oder den
Kirchen verbieten können, Sklaven zu haben. Oder sie hätten Christen dazu anhalten
können, sich gegenseitig aus der Sklaverei freizukaufen. Aber mit Ausnahme einiger weniger
urchristlicher Gruppen wurde dieser Weg nicht eingeschlagen. Aus dem vierten, fünften und
sechsten Jahrhundert haben wir Beweise, dass es zahlreiche christliche Sklavenhalter gab.
Ja selbst Kirchen, kirchliche Amtspersonen und sogar ein Mönch besaßen Sklaven. Selbst
wenn wir von der Vernunft her nicht erwarten können, dass sich die Urchristen eindeutig
gegen die Sklaverei gestel t hätten, bereitet uns die Kanonisierung der Texte, in denen
versklavten Menschen befohlen wird, ihren Herren in al en Dingen zu gehorchen, moralische
Probleme. Die Sklaverei wurde zu einem Teil der amerikanischen Geschichte und hat das
ganze Land beeinflusst, Christen wie Nicht-Christen.
Wenn ich Sie bitte sich vorzustel en, wie ein urchristliches Sklavenmädchen oder eine
versklavte Frau diesen Text aus dem Kolosserbrief gehört haben könnte, möchte ich das
frühchristliche Verständnis von Weiblichkeit beschreiben. Typischerweise wird bei der
Interpretation dieser Texte angenommen, dass es sich um männliche Sklavenhalter und
männliche Sklaven handelt. Dabei kann das Konfliktpotential bei bestimmten den versklavten
Mädchen und Frauen auferlegten Pflichten verloren gehen. Erst wenn wir den Text aus dem
Blickwinkel einer Sklavin sehen, können wir die mögliche Härte der Ermahnungen erkennen.
Erst dann können wir verstehen, welche Auswirkungen die Tatsache des Geschlechts auf
eine Versklavung hat, welche Auswirkungen die Versklavung auf den Menschen je nach
Geschlecht hat und wie beides eine Kindheit in der frühen Christenheit bestimmen konnte.
Von Anfang an brachte die Befürwortung der Sklaverei seitens der Christenheit mit sich,
dass Sklaven große Hindernisse in ihren Lebensweg gestel t wurden. Diese Hindernisse
beeinträchtigten Frauen und Mädchen anders als Männer und Jungen.
Wenn wir analysieren, wie Sklavenmädchen und -frauen die Haustafeln gehört haben
könnten, müssen wir uns zunächst fragen, wie und warum sie Christinnen geworden sind. Im
Gegensatz zu anderen religiösen Traditionen, wie z.B. den Mysterienreligionen, war das
Christentum den versklavten Menschen gegenüber völ ig offen. Hier brauchten sie keine
besonderen Ausgaben zu befürchten, wie z.B. für Tieropfer. Manche Gemeinden erlaubten
sogar versklavten Frauen, leitende Positionen einzunehmen. (3)
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Von Anfang an schufen Christen Strukturen, um sich der Armen anzunehmen. Dadurch
kamen zahlreiche versklavte Menschen in die Kirche. Die Geißelung Jesu und sein Tod am
Kreuz könnte versklavte Menschen besonders berührt haben. Mit dieser Form der
Hinrichtung konnten sie sich identifizieren. Wir müssen uns vorstel en, dass die Menschen
der römischen Ära wussten, dass Römer ihre Sklaven auspeitschten und dass sie immer
wieder Kreuze an öffentlichen Plätzen sahen, an denen niedergeworfene
Sklavenrebel enführer hingen. Die Urchristen sangen in der Kirche, dass Jesus "die Gestalt
eines Sklaven" angenommen hatte. Darum hatte ihn Gott erhöht.(4) Ich kann mir vorstel en,
dass diese Darstel ung besonders die Sklaven ansprach, wie es wohl auch in den
Vereinigten Staaten vor dem Bürgerkrieg der Fal war.
(4) Phil.2, 6-11 "Christus Jesus, 6 der in göttlicher Gestalt war, hielt es nicht für einen Raub,
Gott gleich zu sein, 7 sondern entäußerte sich selbst und nahm Knechtsgestalt an, ward den
Menschen gleich und der Erscheinung nach als Mensch erkannt. 8 Er erniedrigte sich selbst
und ward gehorsam bis zum Tode, ja zum Tode am Kreuz. 9 Darum hat ihn auch Gott erhöht
und hat ihm den Namen gegeben, der über al e Namen ist. 10 Dass in dem Namen Jesu sich
beugen sol en al er derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind, 11 und
al e Zungen bekennen sol en, dass Jesus Christus der Herr ist, zur Ehre Gottes, des Vaters.
Jetzt stel en wir uns vor, wie ein junges christliches Sklavenmädchen diesen Absatz aus dem
Kolosserbrief gehört haben könnte. Wir haben Zeugnisse davon, dass versklavte Kinder
manchmal sehr jung ohne ein Elternteil erkauft wurden. Sehr früh an einen neuen
Eigentümer ohne Mutter oder Vater verkauft hieß natürlich, dass das Sklavenmädchen
diesen nicht gehorchen konnte. Aber selbst wenn ein Sklavenmädchen bei ihrer Mutter oder
beiden Eltern wohnte, konnte sie diesen möglicherweise nicht gehorchen. Wir erinnern uns,
dass die neutestamentliche Haustafel christliche Kinder das folgende lehrt:
"Ihr Kinder, seid gehorsam den Eltern in al en Dingen; denn das ist wohlgefäl ig in dem
Herrn. Ihr Väter, erbittert eure Kinder nicht, damit sie nicht scheu werden." (Kolosser 3, 20-
Wenn christliche Sklavenkinder und ihre Eltern dieses Gebot so aufnehmen wol ten, wie es
an sie adressiert war, so war es gut möglich, dass sie es nicht befolgen konnten, da ihr Herr
oder ihre Herrin immer vor den Eltern kam. Weiters hatte ein Sklavenkind vor dem Gesetz
keinen Vater. Vaterschaft war eine Gesetzeskategorie auf die sie kein Anrecht hatten. Somit
kompromittierte die Sklaverei sowohl christliche Eltern wie deren Kinder. Der Herr oder die
Herrin konnte dem Kind befehlen, seinen biologischen Eltern nicht zu gehorchen, ja sogar
Dinge zu tun, die christliche Sklaveneltern als gegen ihren christlichen Glauben empfanden.
Manche Sklavenhalter machten Geld damit, dass sie ihre Sklavenmädchen und -frauen als
Prostituierte arbeiten ließen. Wenn ein Sklavenmädchen im Römischen Reich in die Pubertät
kam, hatte sie viel eicht bessere Chancen, nicht als Prostituierte arbeiten zu müssen, wenn
ihr(e) Eigentümer(in) Christ(in) war. In dem Ausmaß, in dem Christen Bordel s betrieben,
was in einer christlichen Gesel schaften gang und gäbe war, war die Prostitution von
Sklavenjungen wahrscheinlich weniger oft vorzufinden als in der heidnisch römischen
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Gesel schaft. Wenn dies der Fal war, so gehörte es zur geschlechtlichen Identität eines
Sklavenmädchens eines christlichen Eigentümers, eher als Prostituierte arbeiten zu müssen.
(5) Die frühe Synode von Elvira im 4. Jh., auf der Frauen verboten wurde, andere als
Prostituierte arbeiten zu lassen, gibt Zeugnis davon, dass es möglich war, dass christliche
Als Mutter und Sklavin hatte das Kind keinen gesetzlichen Vater, obwohl wir Berichte davon
haben, dass versklavte Menschen versuchten, Familien zu bilden. Eine Mutter ohne
gesetzlichen Ehemann erlebte ihre Mutterschaft ganz anders als eine frei geborene Mutter,
dessen Kind die Vorzüge eines legalen Vaters genoss. In mancher Hinsicht könnte die
Bindung einer Sklavin zu ihren Kindern und ihre Autorität über sie größer gewesen sein.
Andrerseits könnten sich manche versklavten Mütter der Kontrol e ihrer Herren oder
Herrinnen über ihre Fortpflanzungsmöglichkeiten und über ihre Kinder widersetzt haben,
indem sie Geburtenkontrol e, Abtreibung oder Kindstötung praktizierten oder indem sie sich
emotional von Kindern entfernten, die ihnen möglicherweise bei der Geburt weggenommen
und einer Amme übergeben wurden. In mancher Hinsicht könnte ihre Erfahrung der
Mutterschaft jener armen freien Frauen ähnlich gewesen sein, die wussten, dass ein
Gläubiger jeder Zeit ihre Kinder in die Sklaverei schicken konnte. Dies bedeutet, dass
Sklaverei und extreme Armut die Frauen durch die Auswirkungen auf die Mutterschaft
Darüber hinaus hatte die Sklaverei tiefe Auswirkungen auf die Art und Weise, wie eine
christliche Sklavenmutter ihrem Kind den christlichen Glauben und christliche Praktiken nahe
bringen konnte. Wenn sie das Verbot von Hurerei und Ehebruch als zentrale christliche
Lehren ansah, wie hätte sie da ihrem Kind beibringen können, sich davon fernzuhalten?
Weiters war es ihr und ihrem Kind möglicherweise nicht erlaubt, regelmäßig Gottesdienste
zu besuchen. Die Folge war, dass sie viel eicht nur ein begrenztes Wissen in
Glaubensdingen besaß. Waren ihre Herrin oder ihr Herr Nicht-Christen, so hatte sie
Schwierigkeiten, ihr Kind vor nicht-christlichen religiösen Praktiken zu bewahren.
Schauen wir uns nun die ersten Gebote an, nämlich dass eine Ehefrau ihrem Mann
gehorchen und ein Mann seine Frau lieben sol . Wenn eine Sklavin in einer eheähnlichen
Beziehung lebte, so konnte es sein, dass sie das neutestamentliche Gebot, ihrem Mann zu
gehorchen, nicht befolgen konnte, was wiederum mitten ins Herz der Definition einer Frau im
Urchristentum und in dessen kulturel em Umfeld traf. Wir könnten dies als Befreiung
ansehen, aber die Beherrschung durch den Herren oder der Herrin war vermutlich viel
grausamer als die durch den Ehemann. Ihr Sklaven-Mann war stark eingeschränkt, das
neutestamentarische Gebot des Ehemanns zu erfül en, nämlich seine Frau so zu lieben, wie
Nun wil ich kurz das Arbeitspensum beschreiben, das versklavte Frauen und Mädchen im
römischen Reich zu leisten hatten, die tagtägliche Mühsal, die sie von dem, was wir Kindheit
nennen, bis zu deren Tod begleitete. Ein Mädchen konnte in ihren jüngeren Jahren
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einerseits zu einer Geld einbringenden Tätigkeit ausgebildet werden, wie z.B. dem Weben.
Andrerseits verbrachte sie ihre Zeit mit anderen Pflichten, die ein junges Mädchen ausführen
konnte. Sklavenmädchen und -frauen waren mit der Lebensmittelherstel ung und
Konservierung beschäftigt. Sie pflanzten und produzierten die Nahrung, die für die Erhaltung
eines Landgutes notwendig war. (Im Gegensatz zu den für Geld verkauften
landwirtschaftlichen Produkten wie Olivenöl oder Wein, die im Al gemeinen von männlichen
Sklaven erzeugt wurden.) Sklavinnen fertigten Textilprodukte an, arbeiteten im
Kunsthandwerk, als Sexarbeiterinnen, als Ammen, im Vergnügungsgeschäft und als
Hauspersonal für die Dame des Hauses. (6) Reiche Damen hatten eine Schar von
Dienerinnen mit besonderen Aufgaben, wie kunstvol geflochtene Haarteile herzustel en oder
auch laut vorzulesen. Soweit wir feststel en können, wurden Frauen im Al gemeinen nicht zu
Sklavenarbeit, die rohe Kraft brauchte, herangezogen, also nicht in den Bergwerken oder als
Galeerensklaven auf den Schiffen eingesetzt. Wir haben al erdings davon Zeugnis, dass es
Gladiatorinnen gab. Al es in al em war Sklavenarbeit je nach Geschlecht aufgeteilt, basierend
auf der größeren Muskelkraft der Männer und der Fähigkeit der Frauen, Kleinkinder zu
versorgen usw. (Hier besteht ein Kontrast zur landwirtschaftlichen Arbeit in den Südstaaten
vor dem Bürgerkrieg. Damals schufteten die Frauen Seite an Seite mit den Männern in den
Baumwol - und Reisfeldern.) Sklavinnen konnten in einem Backwarengeschäft oder in einer
öffentlichen Schenke arbeiten. Höher gestel te geschäftliche Aktivitäten, die mit Buchhaltung
und Handel zu tun hatten, wurden jedoch eher von Sklaven männlichen Geschlechts
ausgeführt. Dadurch lernten diese Männer wertvol e Fähigkeiten, die sie später als Befreite
zum sozialen Aufstieg nutzen konnten.(7) So konnten Sklaven durch Erlernen von
Geschäfts- und Handelspraktiken aufsteigen, während die beste Chance zum Aufsteigen für
Frauen in ihrer sexuel en Attraktivität und ihrer Fortpflanzungsfähigkeit bestand.
(6) Siehe Susan Treggiari, "Domestic Staff at Rome in the Julian-Claudian Period, 27 B.C. to
A.D. 68," (usw., sowie andere Artikel derselben Autorin)
(7) Siehe Dale B. Martin, Slavery as Salvation: The Metaphor of Slavery in Pauline Chritianity
(New Haven, CN: Yale University Press, 1990) 1-49.
Welche Auswirkungen konnte dieses Gebot auf Sklavenfrauen und -mädchen in der
Gemeinde gehabt haben, z.B. auf ein Sklavenmädchen, das einem Heiden gehörte, der von
ihr Sex wol te? In Kol.3, 22 lesen wir: " Ihr Sklaven, seid gehorsam in al en Dingen euren
irdischen Herren." Hat sie eine Zuflucht, eine Handhabe, um diese Forderung zu vermeiden?
Nach dem Gesetz hat sie keine. Auch in der Gesel schaft hatte sie wenig, denn das
Verhalten ihres Herrn stieß auf wenig Ablehnung. Nach der Logik der Sklaverei war die Sex-
Arbeit seines Sklavenmädchens sein Eigentum. Er konnte entscheiden, ob er aus ihrer Sex-
Arbeit als Prostituierte Profit schlagen wol te oder ob er ihre Sex-Arbeit für sich selbst oder
seine Gäste benutzen wol te. So hörte das Sklavenmädchen zunächst in Kol. 3, 5, dass sie
al es, was an ihr noch irdisch ist, darunter Unzucht (porneia), Unreinheit (akatharsia),
schändliche Leidenschaft (pathos) und böse Begierde (epithymia) töten sol . Daraufhin wird
sie in Kol.3, 23 ermahnt, "Al es, was ihr tut, das tut von Herzen als dem Herrn und nicht den
Menschen." Viel eicht versuchte sie diese Widersprüche mit dem Vers 25 zu lösen: "Denn
wer unrecht tut, der wird empfangen, was er unrecht getan hat." Viel eicht., aber sie führte
ein Leben vol er Kompromisse. Hier sehen wir die mit einander in Konflikt stehenden
Anforderungen an ein christliches Sklavenmädchen oder eine Sklavenfrau: einerseits sol sie
ein keusches Leben führen, andrerseits muss sie ihrem Herren in al en Dingen gehorsam
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sein. Um eine tugendreiche Frau zu sein, sol sie sexuel rein bleiben, um eine tugendreiche
Sklavin zu sein, sol sie in al en Dingen gehorsam sein. Mit anderen Worten, das christliche
Konstrukt des Sklavendaseins einer Frau ist von Grund auf widersprüchlich. Durch al e
Kulturen hindurch haben Sklavenhalter versucht, diesen Widerspruch rational damit zu
rechtfertigen, indem sie die sexuel aktive Sklavin als inhärent lasziv darstel ten, die ja selbst
Zeugnisse für die Benutzung der sexuel en Funktionen ihrer Arbeitssklaven seitens der
Sklavenhalter sind sehr unterschiedlich. Das römische Gesetz setzte raschen sexuel en
Zugang zu Sklaven voraus. Ein Verbot für sexuel e Beziehungen zwischen männlichen
Sklavenhaltern und weiblichen oder männlichen Sklaven gab es nicht. Ein verheirateter
Mann, der mit seiner Sklavin Sex hatte, begann rechtlich gesehen keinen Ehebruch
gegenüber seiner Ehefrau.(8) Nach römischen Recht war das Kind einer Sklavenfrau ein
Sklave und gehörte seinem Eigentümer. Dies bedeutete, dass Sklavenhalter, die ihre
Sklavinnen sexuel benutzten, zweifach davon profitieren konnten: sie hatten unmittelbare
sexuel e Befriedigung und die Möglichkeit, ihre Sklavenarbeitskraft zu vergrößern.(9)
Römischen Sklavenherrinnen verbot das Gesetz, sexuel e Beziehungen mit ihren
männlichen Sklaven, jedoch nicht mit ihren weiblichen.
(8) Corpus Iuris civilis: Digesta 48.5.6 (Papinian über das lex Iulia de adulteri s).
Siehe auch Pauli Sententiae 2.26.16 und Judith Evans Grubbs, Law and Family in Late
Antiquity: The Emperor Constantine's Marriage Legislation (Oxford : Oxford University Press,
(9) Gaius 1.82; vergl. Institutiones Iustiniani 1.3.4; Corpus Iuris Civilis: Digesta 50.2.9pr;
Codex Iustiniani 7.14.9. Siehe W.W. Buckland, The Roman Law of Slavery : The condition of
the Slave in Private Law from Augustus to Justinian (1908; Neuauflage: Holmes Beach, FL:
Ähnlich wie im römischen Gesetz nahmen die frühen Rabbiner an, dass eine jüdische Frau
bei Gefangennahme im Krieg von ihrem nicht-jüdischen Erbeuter zu Sex mit diesem
gezwungen wurde. Ihr Rechtsdenken im Hinblick auf Ehe und Scheidung gestalteten sie um
die Annahme herum, dass eine Versklavung von Frauen sexuel en Missbrauch mit
einbezog.(10)Weiters nehmen sie als Tatsache an, dass jüdische Männer mit ihren
Sklavinnen Sex haben konnten, wie es in einem Ausspruch, der Hil el zugeschrieben wird,
heißt: "um so mehr Sklavinnen, um so mehr Wol ust". (11)
(10) Siehe z.B. m. Ketubbot 4,8, wonach ein Priester seine Frau nicht wieder zu sich nehmen
kann, nachdem sie gefangen genommen worden war, denn nach Levitikus 21,7 darf ein
Priester keine Frau haben, die eine Prostituierte ist oder beschmutzt worden war.
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(11)M.OEAbot 2,7. Dieser Ausspruch könnte eine rabbinische Ansicht zum Ausdruck
bringen, dass Sklavenfrauen und -mädchen moralisch locker waren. Das würde mit der
Einstel ung durch die Kulturen hindurch übereinstimmen, dass Sklavinnen moralisch locker
Darüber hinaus geben eine Reihe von griechischen und lateinischen Quel en, von römischen
Komödien, griechischen und römischen Romanen bis zu Traumklassifikationen und
landwirtschaftlichen Abhandlungen, Zeugnis davon ab, dass Sklavenhalter die Körper ihrer
Sklaven vol und ganz besaßen. So fordern z.B. die landwirtschaftlichen Handbücher von
Varro und Columel a die Landeigentümer dazu auf, die Fruchtbarkeit ihrer Sklavinnen zu
verbessern.(12) Der Traumklassifizierer /-deuter Artemidoros von Daldis (2. Jh. n.Chr.)
definiert sexuel e Beziehungen zwischen einem Sklavenhalter und seinen männlichen und
weiblichen Sklaven als "natürlich, legal und üblich." (13)
(12) Varro, On Agriculture 2.1.26; 2.10.6-8; Columel a, On Agriculture 1.8.19.
Dokumentarische Quel en geben uns einen Einblick in konkrete Fäl e von Sklavenhaltern, die
ihre Sklavenfrauen und -mädchen missbrauchten. Papyrusrol en aus dem römischen
Ägypten geben uns Beweise, dass Kinder vom Sklavenhalter gezeugt wurden, auch wenn
Frauen die besagten Sklavinnen besaßen (14). Eine Inschrift aus Pompeji verkündete
öffentlich eine Beziehung zwischen einer Sklavin namens Restituta und ihrem Herrn
(14) Iza Biezaeun;ska-Malowist, L'esclavage dans L'Égypte gréco-romaine. Teil 2 Période
romaine. Übers. Jerzy Wolf (Wroclaw: Ossolineum, 1977) 114-116.
(15) CIL 4.1665 (Pompeji, Inschrift): Restituta cum Secunda domno suo
(Restituta [befindet sich in einer Beziehung ] mit ihrem Herrn Secundus).
Manche Gruppen in der antiken Welt argumentierten gegen solche Beziehungen. So
verkündet z.B. eine Inschrift auf einer Marmorstele aus Philadelphia in Kleinasien (2. - 1.Jh.
v. Chr.), wer das Haus der Mysterien betreten darf, ob Mann oder Frau, Sklave oder freier
Mensch. Dazu werden speziel e Richtlinien für Anbetende aufgezählt, darunter auch: "Neben
seiner eigenen Ehefrau, lasst keinen Mann eine Frau verderben, weder freie noch Sklavin,
die einen Ehemann hat, noch einen Jungen noch ein Mädchen, noch sol er dies jemandem
empfehlen." (16) Somit hieß diese religiöse Gemeinschaft ein sexuel es Verhältnis
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mindestens zwischen einem freien Mann und einer Sklavin, die in einer Langzeitbeziehung
mit einem Mann lebte, nicht für gut. In ähnlicher Weise forderte im ersten Jahrhundert der
stoische Philosoph Musonius Rufus Sklavenhalter dazu auf, sich sexuel er Beziehungen mit
(16) Zum Text der Inschrift siehe Franciszek Sokolowski, Lois Sacrées de L'Asie Mineure
((Travaux et mémoires, École franc,aise d'Athènes) 9 ; Paris: de Boccard, 1955) No. 20,
Zeilen 25-29 (Syl oge Inscriptionum Graecarum 985) ; besprochen von Angela
Standhartinger, « Der Brief an die Gemeinde in Kolossä, » im Kompendium Feministische
Bibelauslegung, Hrsg. Luise Schottroff und Marie-Theres Wacker, unter Mitarbeit von
Claudia Janssen und Beate Wehn (Gütersloh: Kaiser/Gütersloh, 1998) 642f; Studien zur
Entstehungsgeschichte und Intention des Kolosserbriefs ((Supplements to Novum
Testamentum 94; Leiden: Bril , 1999) 265-268; und "The Origin and Intention of the
Household Code in the Letter to the Colossians," Journal for the Study of the New Testament
Wie beurteilte die römische Gesel schaft eine Sklavin in der Situation, in der sie sexuel e
Dienste anbieten musste? Ihr Sklavenstatus machte sie in den Augen der Gesel schaft
unehrenwert. Für eine Sklavin konnte Frausein nicht Keuschheit bedeuten. Eine ehrenwerte,
frei geborene Frau brauchte Dienerinnen wie sie, um in der Öffentlichkeit als ehrenwerte
Frau anerkannt zu werden und nicht als Prostituierte. Dies bedeutete, dass eine Sklavin, die
selbst zwar unehrenwert war, zur Ehre einer anderen Frau beitragen konnte. Für sie selbst
aber hieß Frausein penetriert zu werden und möglichst fruchtbar zu sein. Außerdem war sie
ungeschützt, denn rechtlich hatte sie keine männlichen Verwandten, die für sie eintraten.
Al erdings müssen wir uns daran erinnern, dass in der antiken römisch-heidnischen
Gesel schaft auch Sklavenjungen und -männer der sexuel en Penetration ihrer Herren
ausgesetzt waren. Somit spiegeln die geschlechtlichen Unterschiede bei den Sklaven und
Sklavinnen nicht die geschlechtlichen Gesel schaftskonstruktionen der frei geborenen
Frauen und Männer wider. Die tatsächliche Vorlieben des heidnischen Sklavenherrn, der
eher dazu geneigt war, Sex mit einem Sklavenmädchen oder einer Sklavenfrau zu haben als
mit einem Sklavenjungen, zusammen mit dem strengen Verbot für Herrinnen, sexuel en
Umgang mit ihren männlichen Sklaven zu haben, machte versklavte Männer etwas weniger
angreifbar. So bedeutete das Konstrukt Sklaventum in der römischen Welt für beide
Geschlechter, für Sklaven und Sklavinnen, penetriert werden zu können. Das Sklaventum
wird aber durch die Fortpflanzungsfähigkeit der Frau besonders geprägt, wobei es keine
Obwohl eine Sklavin sowohl in der Gesel schaft als unehrenwert als auch vor dem Gesetz
als sexuel penetrierbar galt, waren es ihre Sexual- und Fortpflanzungsfunktionen, die ihr
viel eicht die besten Chancen für einen sozialen und rechtlichen Aufstieg gaben. Ein
Sklaveneigentümer konnte viel eicht ihre anderen Arbeitslasten erleichtern, ja sie sogar
befreien, wenn sie den Reichtum ihres Herrn oder ihrer Herrin durch das Austragen einer
Anzahl von Kindern vergrößerte. Noch hoffnungsvol er war die Aussicht, dass eine Sklavin
sich ihrem Herrn gegenüber attraktiv genug darstel en konnte, so dass er sich entschied, sie
zu befreien und zu heiraten oder dass sie als befreite Sklavin seine Konkubine werden
würde. Männliche Sklaven konnten hoffen, ihr Los durch verantwortungsvol e
Geschäftspositionen im Haushalt ihres Herrn zu verbessern, Geld zu sparen und sich selbst
aus der Sklaverei freizukaufen. Manchmal konnten sie dann als befreite Sklaven sozial
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aufsteigen. Im Gegensatz dazu schienen Sexualität und Fortpflanzung die größte Hoffnung
der Sklavin auf eine bessere Zukunft. Aus diesem Grund standen sexuel e Verfügbarkeit und
Fruchtbarkeit zentraler im kulturel en Gesel schaftskonstrukt für weibliche Sklaven als für
männliche Sklaven. Kurz zusammengefasst: eine Sklavin, die einem heidnischen Herrn
gehörte, hatte al e Anreize, um ihre sexuel e Verletzlichkeit und Fruchtbarkeit einzusetzen,
die ihr Geschlecht als Sklavin definierten, um ihr Lebensschicksal zu verbessern.
Hatte das Christentum dieses Gesel schaftskonstrukt der Sklaven und ihrer Geschicke je
nach Geschlecht verändert? Da die Urchristen sexuel e Beziehungen unter Männern
verurteilten, waren christliche Sklaveneigentümer wahrscheinlich weniger geneigt, sexuel e
Dienste von ihren Sklavenjungen zu fordern. Al erdings können wir uns nicht vol kommen
sicher sein, dass die Praxis der Ideologie entsprach. Was das Los der Sklavinnen betraf, so
fordert der stoische Philosoph Musonius Rufus die Sklavenhalter wörtlich auf, keine
sexuel en Beziehungen mit Sklavinnen zu haben. Das Neue Testament aber - und das mit
weitreichenden Konsequenzen für kommende Generationen - tut dies nicht.(17) Die
christliche Lehre verbietet Unzucht und andere Sexualverhalten, wodurch diese Lücke noch
bemerkenswerter wird. Eine Reihe von christlichen Autoren wie Lactantius, Ambrosius,
Hieronymus und Augustinus rieten christlichen Sklavenhaltern jedoch ab, sexuel e
Beziehungen mit ihren Sklavinnen einzugehen.(18) Die kirchlichen Verordnungen, die als
Apostolische Konstitutionen bekannt sind (frühes 4. Jh., vermutlich in Syrien oder Ägypten
zusammengestel t), gehen tatsächlich einen Schritt weiter und legen solchen Beziehungen
Sanktionen auf: "Ein Mann oder eine Frau, die glaubt und sich mit einem Sklaven oder einer
Sklavin zusammengetan hat, sol diese Beziehung abbrechen oder er oder sie sol
exkommuniziert werden." (19) Dieser Satz sticht als höchst ungewöhnlich innerhalb der
frühen christlichen Literatur heraus. Frühe Kirchenväter versuchten oft, frei geborene
Christinnen davon abzuhalten, versklavte Männer zu heiraten. Die Apostolischen
Konstitutionen unternehmen jedoch den seltenen Schritt, sexuel e Beziehungen zwischen
frei geborenen christlichen Männern und versklavten Frauen zu verurteilen - und sie belegen
solche Beziehungen mit einer schweren Strafe. Al erdings bestrafen sie freie Menschen, die
solche Beziehungen hatten, nur dann, wenn diese auf solchen Beziehungen beharrten.
(17) Musonius Rufus, Dissertationum a Lucio digestarum reliquiae 12; Griechisch und
Englisch: Cora E. Lutz, Hrsg. und Übers., Musonius Rufus "The Roman Socrates" (New
Haven: Yale University Press, 1947) 84-89.
(18) zu Lactantius, siehe Divine Institutes 6.23.23; Latein: Samuel Brandt und Georg
Laubmann, Hrsg. L. Caeli Firmiani Lactanti Opera omnia, Teil 1 (Corpus scriptorum
ecclesiasticorum latinorum 19; Wien: Tempsky, 1890) 568; Englisch: Mary Francis
McDonald, Übers., Lactantius: The Divine Institutes, Books I-VII (Fathers of the Church
49;Washington, DC: Catholic University of America Press, 1964) 460, siehe dazu Judith
Evans Grubbs, Law and Family in Late Antiquity : The Emperor Constantine's Marriage
Legislation (Oxford: Oxford University Press, 1999) 90f.
Zu Ambrosius siehe On Abraham 1.4.26f; Latein: Karl Schenkel, Hrsg., Sancti Ambrosi
Opera, Teil 1 (Corpus scriptorum ecclesiasticorum latinorum 32; Wien: Tempsky, 1897) 520-
522, Englisch: Theodosia Tomkinson, Übers. On Abraham: Saint Ambrose of Milan (Etna,
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CA: Center for Traditionalist Orthodox Studies, 2000) 14f, siehe dazu EvansGrubbs, Law and
Zu Hieronymus siehe Epistles 77.3; Latein: Isidor Hilberg, Hrsg., Sancti Eusebi Hieronymi
Epistulae, Teil 2 (Corpus scriptorum ecclesiasticorum latinorum 55; Wien: Österreichische
Akademie der Wissenschaften, 1996) 39; Latein und Englisch:F.A. Wright, Hrsg. und Übers.,
Select Letters of St. Jerome (Loeb Classical Library; Cambridge, MA: Harvard University
Press, 1933) 314f, siehe dazu Evans Grubbs, Law and Family, 249.
Zu Augustinus, siehe Sermons 9,4; Latein: Cyril Lambot, Hrsg., Sancti Aureli Augustini
Sermones (Corpus Christianorum 41, 115; Tournhout: Brepols, 1961) 115; Englisch:
Edmund Hil , Übers., The Works of Saint Augustine: A Translation for the Twenty-first
Century, Teil 3.1 (Brooklyn: New City, 1990) 263, dazu siehe Richard Klein, Die Sklaverei in
der Sicht der Bischöfe Ambrosius und Augustinus (Forschungen zur antiken Sklaverei 20;
Sage ich, dass das Neue Testament Sklavenhaltern erlaubt, ihre Sklavenmädchen und -
frauen sexuel zu missbrauchen? Sicher sage ich nicht, dass das NT dazu ermutigt. Ich sage
aber, dass durch das Gebot an die Sklaven, ihren Herren in al en Dingen gehorsam zu sein,
frühchristliche Sklavinnen in eine kompromittierende Stel ung gebracht wurden. Eine
religiöse Gemeinschaft kann nicht gleichzeitig das Sklaventum unterstützen und sich gegen
sexuel en Missbrauch stel en. Hätte der Autor der Kolosserbriefe und die religiösen
Leitfiguren, die auf ihn folgten, jeden Sklavenhalter, der die sexuel e Arbeit seines
Sklavenmädchens, Sklavenjungens oder seiner Sklavenfrau benutzte, mit einer konkreten
Kirchensanktion belegt, oder hätten sie eine Gemeindestruktur ins Leben gerufen, um einen
versklavten Christen, der solche Dienste leisten musste, zu unterstützen, z.B. durch das
Sammeln von Gemeindegeldern, um diesen Menschen aus der Sklaverei frei zu kaufen, so
hätten sie die Rechte der Sklavenhalter begrenzt. Aber sie entschieden sich nicht, diesen
Wie sah es mit den Sklavenhalterinnen aus? Der griechische Begriff, den wir mit "Herren"
(kyrioi) übersetzen, kann "Herrinnen" (kyriai) mit einbeziehen. Herrinnen konnten auch
sexuel e Kontakte zu ihren Sklaven suchen, obwohl es verheirateten Frauen verboten war,
Sex mit männlichen Sklaven zu haben. Hier wird ihnen auferlegt, ihre Sklaven nicht
übermäßig hart zu behandeln, aber was sol das heißen? Antike christliche und nicht-
christliche Quel en geben sicheres Zeugnis davon, dass Sklaveneigentümerinnen zu
unglaublicher physischer Brutalität fähig waren. So beschreibt z.B. ein frühes kanonisches
Gesetz, ein spanischer Text aus dem frühen 4.Jh., eine relativ leichte Strafe für eine
christliche Frau, die ihre Sklavin aus Eifersucht oder aus Jähzorn (das Lateinische ist
zweideutig) zu Tode peitschte. Viel eicht hatte der Ehemann eine sexuel e Beziehung mit der
Sklavin. Die Zusammenkunft der Bischöfe, die dieses Gesetz veröffentlichte, beschäftigte
sich nicht mit der Frage, ob ein christlicher Ehemann mit seiner Sklavin Sex hatte. Das Neue
Testament und andere frühe christliche Literatur verbieten weder Frauen noch Männern, ihr
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menschliches Eigentum auszupeitschen. So konnte das frühe christlich kulturel e Konstrukt
des elitären Frauseins auch Auspeitschen mit einbeziehen. Das Problem bei Elvira war nicht
das Auspeitschen, sondern die Tatsache, dass sie die Sklavin zu Tode peitschte.
Die frühen christlichen Texte verdienen diese intensive Genauigkeit, d.h. sie zu lesen und
wieder zu lesen, weil sie für spätere Generationen fundamental und richtungweisend sind. .
Zuvor beschrieb ich einige der Unterschiede zwischen dem Sklaventum im römischen Reich
und in den USA. Die historische Pflicht beinhaltet die genaue Beschreibung der
Besonderheiten von Zeit und Ort. Aber die Menschen, die sich mit den ethischen Fragen zur
Überwindung des Sklavenerbes aus der Vergangenheit und mit der Vorbeugung gegen
Sklaverei in der Gegenwart und Zukunft beschäftigen, müssen auch Ähnlichkeiten durch al e
Kulturen hindurch untersuchen - das, was ich die Logik der Sklaverei nenne.
Dazu möchte ich ihnen nun ein Beispiel nennen. Die Sklavenerzählung aus dem Amerika
des 19. Jahrhunderts von Harriet Jacobs beschreibt, wie Dr. Flint, der kurz zuvor Mitglied
einer Kirche geworden war, ihr befahl, ihm zu gehorchen und Sex mit ihm zu haben. Die
sechzehnjährige Harriet hatte ihr bestes getan, um die lüsternen Nachstel ungen ihres Herrn
abzuweisen. Mrs. Flint, die Ehefrau von Dr. Flint, konnte sehen, wie ihr Mann von der jungen
Harriet angezogen wurde und wie er plante, zur Tat zu schreiten. Harriet Jacobs spürte
genau die Eifersucht der Frau und die Macht des Mannes. Sie schreibt, "Bis jetzt konnte ich
meinem Herrn erfolgreich ausweichen, obwohl schon oft eine Rasierklinge an meine Kehle
gehalten wurde, um mich zu zwingen, meine Einstel ung zu ändern." (20) Als ihre Herrin
Harriet in ihr Zimmer rief, um sie auszufragen, konnte Harriet sehen, wie "sie fühlte, dass ihr
Ehegelübde entheiligt und ihre Würde beleidigt wurde. Trotzdem hatte sie kein Mitleid mit
dem armen Opfer ihrer Falschheit. Sie bemitleidete sich selbst als Märtyrerin, war aber
unfähig, den Zustand der Scham und des Elends zu fühlen, dem ihre unglückliche und
hilflose Sklavin ausgesetzt war" (21) Als Mrs. Flint ihren Mann bezichtigte, sexuel en Kontakt
mit Harriet zu haben und Harriet als die Quel e dieser Anklage angab, bezichtigte Dr. Flint
seine Frau, Harriet gequält zu haben, um ihr diese Information zu entreißen. Harriet, die
wusste, dass ihr Herr der Vater von elf Sklaven war, wurde in der Zwischenzeit von ihm
bedroht, dass er sie entweder verkaufen oder schlagen würde, wenn sie ihm nicht gefügig
wäre. Auch versprach er ihr, "Ich würde dich in Ehren halten, aus dir eine Dame machen.
Jetzt geh und denk über al es nach, was ich dir versprochen habe." (22) Harriet sieht, wie die
Kinder ihres Herrn, die er von seiner Frau hat, Seite an Seite mit den Kindern spielen, die er
mit einem Sklavenmädchen oder einer Sklavenfrau hat. Sie sieht auch, dass die Ehefrauen
das meistens wissen und manchmal so darauf reagieren, dass sie die Sklavenkinder, deren
Vater der Eigentümer ist, verkaufen, um sie nicht mehr sehen zu müssen. Sie sah auch die
raren Momente, in denen weiße Frauen ihre Ehemänner ermahnten, "jene Sklaven zu
befreien, denen gegenüber diese in einer elterlichen Beziehung standen."(23)
(20) Harriet A. Jacobs, Incidents in the Life of a Slave Girl: Written by Herself, 32.
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Meinen Vortrag habe ich mit dem Titel überschrieben: "Der lange Schatten der Sklaverei
über dem Leben von Mädchen und Frauen." Jetzt möchte ich kurz einige Konturen dieses
Schattens aufzeigen. Die Rechtsprofessorin und Mitglied des Projektes 'Feministische
Sexualethik' Dorothy Roberts zeichnete eindringlich in ihrem Buch Kil ing the Black Body
eine lange Geschichte nach, in der versucht wurde und wird, die Sexual- und
Reproduktionsfunktionen der schwarzen Frauen zu kontrol ieren, sehr oft auch erfolgreich. In
der Sklaverei taten die Eigentümer al es, auch unter Zwang, damit Sklavinnen so oft wie
möglich gebären sol ten. Am Vorabend des Bürgerkrieges war die Geburtsrate unter
versklavten Frauen höher als die bei weißen Frauen, trotz der schrecklichen
Arbeitsbedingungen der Sklavinnen und der daraus resultierenden medizinischen Probleme.
Im 20. Jh. versuchten Weiße weiterhin, die Fruchtbarkeit schwarzer Frauen zu kontrol ieren.
Nun wol ten sie die Geburten reduzieren, in dem sie auf schwarze Gemeinschaften
abgezielte Geburtenkontrol e und Zwangssterilisation einführten. Robertson zeigt, dass es
bis in die heutigen Tage hinein Versuche gibt, die Fortpflanzungsfähigkeit schwarzer Frauen
zu kontrol ieren: Durch Norplant Implantate in Gefängnissen und durch Vorschläge, Norplant
Implantate zur Bedingung für den Erhalt von Sozialhilfe zu machen. In ähnlicher Weise
bezeichnet die Rechtsprofessorin und das Projektmitglied Adrienne Davis die Sklaverei als
"institutionalisierte sexuel e Belästigung". Während der Sklaverei war es Sklavenhaltern nicht
verboten, ihre Sklavinnen zu vergewaltigen. Historikerin, Juristin und Projektmitglied Lisa
Cardyn erforscht, wie der Ku Klux Klan Anfang des 20. Jh. systematisch und ungestraft
sexuel e Übergriffe als Teil ihrer Terrorkampagnen gegen Afrika-Amerikaner einsetzte. Diese
Geschichte von ungestraften Vergewaltigungen findet noch in den modernen Gerichtssälen
ihren Widerhal , wenn Afrika-Amerikanerinnen akzeptieren müssen, dass sie für sie weniger
günstige Gerichtsurteile im Fal e einer Vergewaltigung erwarten müssen als ihre weißen
Leidensgenossinnen. (Die Daten wurden von Rechtsanwältin Elizabeth Kennedy
zusammengestel t. Sie können diese auf unserer Web Site nachlesen. Die genauen
Angaben dazu finden Sie auf dem Deckblatt unserer Projektbroschüre.) Historikerin und
Projektmitglied Catherine Clinton, die darüber geschrieben hat, wie das Trauma dieser
Geschichte von sexuel en Übergriffen auf Generationen hinaus Auswirkungen hat, forscht
nun über weiße Männer, die sexuel e Beziehungen mit schwarzen Frauen hatten,
angefangen von Thomas Jefferson bis zu dem kürzlich verstorbenen Senator Strom
Welche Rol e spielt hier das Christentum? Wie ich anfangs schilderte, fanden
Sklavenbefürworter zunächst in der Bibel Unterstützung für die Sklaverei. Weiters
unternahmen die Kirchen - wie die Christenheit durch die Jahrhunderte bevor ihnen - sehr
wenig, um Sklavenhalter davon abzuhalten, die Sexual- und Fortpflanzungsfunktionen ihrer
Sklavinnen unter ihre Kontrol e zu bringen. Dazu kommt, dass sich mehrere
Denominationen, Methodisten, Baptisten und Presbyterianer, aufgrund der unterschiedlichen
Einstel ung zur Sklaverei spalteten. Der Vatikan ließ am 20. Juli 1866 verlauten, d.h.
nachdem die Sklaverei in den USA nicht mehr legal war, " Die Sklaverei an sich, als solche
in ihrer eigentlichen Natur betrachtet, ist in keiner Weise gegen das natürliche oder göttliche
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Gesetz, und es kann verschiedene gerechte Anrechte auf Sklaverei geben und diese werden
von anerkannten Theologen und Kommentatoren des heiligen kanonischen Rechts für gut
geheißen . Es ist nicht wider das natürliche und göttliche Gesetz, wenn ein Sklave verkauft,
gekauft, getauscht oder geschenkt wird." Die rassistischen Praktiken von protestantischen
Kirchen unter weißer Führung, darunter auch solche im Norden, führten dazu, dass sich
Afrika-Amerikaner von diesen lösten und ihre eigenen Denominationen bildeten. Obwohl es
sicherlich unter Christen die Tradition von ethnischen Kirchen gibt, heißt das christliche Ideal,
ethnische Grenzen zu überschreiten, wie Paulus im Brief an die Galater (3,28) schreibt: "Hier
ist nicht Jude noch Grieche, hier ist nicht Sklave noch Freier, hier ist nicht Mann noch Frau;
denn ihr seid al esamt einer in Christus Jesus." Trotzdem ist heute in den USA der
Sonntagmorgen für die Christen die rassisch getrennteste Stunde der ganzen Woche. Die
Kirchen sind rassisch getrennter als die Arbeitsplätze, getrennter als die Schulen ihrer Kinder
und rassisch getrennter als das Wohnumfeld, in dem sie zur Kirche gehen. Gemäß dem
Multirassen-Gemeindeprojekt, das unter der Leitung von Michael O. Emerson steht, sind
Gemeinden mit unterschiedlichen Hautfarben (d.h. Gemeinden, in denen die größte Gruppe
einer Hautfarbe nicht mehr als 80 % ihrer Mitglieder ausmacht) sehr selten. Sie betragen nur
ca. 7 % und dabei sind nicht-christliche Gemeinden miteinbezogen, die eher verschiedene
Hautfarben vereinen als christliche.(24) Religiöse Gemeinschaften sind eine unserer
lebendigsten gesel schaftlichen Einrichtungen. Sie sind Orte, an denen einzelne Menschen
Unterstützung in Zeiten von Stress und Schwierigkeiten finden, wo gegenseitig Probleme
angehört werden, ein Ort, der ein Netzwerk für Arbeitsplätze bietet und wo man informel e
Hilfe beim Planen der zukünftigen Berufslaufbahn der Kinder bekommt. Gesel schaftliche
Trennung aufgrund von rassistischen Einstel ungen im Zusammenhang mit Sklaverei führt zu
getrennten und ungleichen Ressourcen und die vorherrschende Ansicht unter Nicht-Afrika-
Amerikanern, dass die Sklaverei der Vergangenheit angehört, wird nicht in Frage gestel t.
Diese Kirchen könnten ein Ort werden, an dem man die Geschichte der christlichen und
besonders der biblischen Unterstützung der Sklaverei unverhül t wahrnimmt und an dem
man ernsthaft darüber nachdenkt, wie der dadurch entstandene Schaden behoben werden
kann. Obwohl es schwer vorstel bar ist, was wäre, wenn die Kirchen Gespräche darüber
führten, wie wir unsere tief rassistischen Einstel ungen zur Sexualität neu durchdenken
könnten? Was wäre, wenn Gemeindemitglieder zu Geschworenen würden, die
Vergewaltigungsfäl e nicht mit vorgefassten Denkschemen über schwarze und weiße
Sexualität angingen? Kirchen sind doch Orte, wo Menschen über ethische Fragen sprechen.
Eine kritische Bestandsaufnahme der Geschichte dieser ethischen Traditionen an sich wird
nicht al unsere gegenwärtigen Probleme lösen, aber das Wissen um diese Geschichte ist
die Voraussetzung, um Lösungen zu finden.
(24) Siehe http://www.congregations.info/facts.html. "Die meisten rassisch gemischten
Gemeinden bestehen aus Menschen mit angelsächsischem und hispanischem oder
Ich hoffe, ich konnte aufzeigen, dass die christliche Unterstützung der Sklaverei von Anfang
an miteinander in Konflikt stehende moralische Vorstel ungen für versklavte Mädchen und
Frauen mit sich brachte. Einerseits sol ten sie sexuel rein sein, andrerseits sol ten sie ihrem
Herrn absolut gehorsam sein. Darüber hinaus hat das Leibeigentum jedoch seine besondere
Logik. Der Gedanke, dass ein Mensch den Körper eines anderen besitzen kann, führt
logischerweise zum Zugang zu diesem Körper. Philosophen, die sich darüber Gedanken
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machten, wie der Stoiker Musonius Rufus und andere frühe Kirchenschriftstel er wie
Ambrosius und Augustinus, wol ten die Einrichtung der Sklaverei aufrechterhalten,
gleichzeitig rieten sie aber den männlichen Sklaveneigentümern ab, Sex mit ihren
Sklavinnen zu haben. Ihr Ratschlag könnte viel eicht manche Sklavenhalter davon
abgehalten haben, ihre Sklavinnen in dieser Weise zu missbrauchen, aber die Logik hinter
der Leibeigenschaft veränderte sich dadurch nicht. Ein einfacher Ratschlag, um
Sklavenbesitzer davon abzuhalten, ihr Eigentum nach ihren Vorstel ungen völ ig
auszubeuten, kann manche davon abhalten, dies zu tun, wird aber ohne durchsetzbare
Sanktionen als Richtlinie normalerweise nicht greifen.
Ich wünschte, das Christentum hätte es als eine Priorität angesehen, sich gegen den
sexuel en Missbrauch von Sklaven einzusetzen. Dies war aber nicht der Fal . Tatsache ist,
dass schon die Akzeptanz der Vorstel ung, den Körper eines anderen Menschen besitzen zu
können, die Sexualmoral formt. Wenn Sklaverei erlaubt ist, so kann die sexuel e Ausbeutung
von Sklaven nicht verhindert werden, ohne dabei die Institution der Sklaverei zu
unterminieren. Darüber hinaus wird dann sexuel er Missbrauch jeder Art wahrscheinlich nicht
hoch auf der Tagesordnung stehen. Deshalb behaupte ich, dass wir die ethischen
Wertvorstel ungen, die in den antiken Sklavenhalter-Gesel schaften entstanden waren und
die die Bibel produzierten, nicht unhinterfragt übernehmen können. Wir müssen sie
hinterfragen und kritisch beurteilen. Die Wertvorstel ungen, die der Sklaverei, dem Eigentum
von und der Herrschaft und Kontrol e über Menschen zugrunde liegen, können in der
Sklaverei zerstört die Moral einer Gesel schaft und damit auch die Moral auf dem Gebiet der
Sexualität. Inmitten dieser Korruption gelang es einigen Sklavinnen, ihre Menschlichkeit zu
wahren und sich legal sowie auch il egal dem Sklavenregime zu widersetzen. Manchen
gelang es, ein Familienleben zu schaffen und innerhalb eines sehr eng begrenzten Rahmens
ethische Entscheidungen zu treffen. Die schier ausweglos erscheinenden Schwierigkeiten
und Herausforderungen der Sklavinnen stehen im Herzen der Sexualethik: Wie
Menschlichkeit aufrechterhalten, wenn man dominiert wird, wie ethische Entscheidungen
treffen, wenn man von absoluter moralischer Korruption umgeben ist? Wie eine persönliche
Beziehung mit dem Göttlichen leben, während man selbst als Untermensch behandelt wird?
- Das heißt: Glauben haben. Dies ist ein sehr guter Ausgangspunkt für eine feministische
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