Einheit 4 Die Rettung der Juden Ester 5, 5 – 10 Der Ausweg Erläuterungen zum Text
von einer grossen Freude und Ausgelassenheit durchdrungen. Das Purimfest
Mit diesem Fest bringen heutige Juden auch
die endzeitliche Hoffnung auf den Anbruch der
Das erste Purimfest, das Mordechai anordnete,
bedeutete für die damaligen Juden endlich Ruhe
Purim fällt auf den 14. oder 15. Adar (Februar
vor den Feinden und wird bis zum heutigen
oder März). Während für die Erwachsenen das
Tag gefeiert. Das Purimfest spiegelt zwar das
Vorlesen der Thorarolle im Gottesdienst, das
leidvolle Schicksal der Juden durch die Jahrhun-
gemeinsame Mahl mit Freunden und das Überrei-
derte hindurch wieder, ist jedoch gleichzeitig
chen von Geschenken an Freunde und Minderbe-
1/2007 Wege zum Kind 4 Die Rettung der Juden
mittelte zu den Höhepunkten des Festes gehören,
Volk sorgte und sich stets für dessen Wohl ein-
geniessen die Kinder «Narrenfreiheit». Sie dürfen
setzte» (10, 3). Mordechai verfasste im Namen des
Sobald der Name Haman fällt, wird im Gottesdienst mit Rasseln gelärmt.
Rasseln lärmen, befreundeten Familien Backwerk, die sogenannten Haman-taschen und andere Geschenke überreichen …
König Xerxes, obwohl der Ranghöchste des Rei-
Die Personen im biblischen Text
ches, erhält nun eine Nebenrolle innerhalb des biblischen Berichtes, während Haman, Morde-
chai und Ester die Hauptrollen zugewiesen bekommen. Aus einer Launenhaftigkeit her-
Haman entfaltet im letzten Teil des Esterbuches
aus beschliesst der König in einer schlafl osen
seine ganze Schlauheit und Brutalität. In seinem
Nacht, seinen Untergebenen Mordechai für die
Hass auf Mordechai und alle Juden gräbt er sich
Aufdeckung eines geplanten Mordes an ihm,
allerdings selbst sein Grab, bzw. stellt sich selbst
dem König, zu belohnen. Ein weiterer Glücksfall
seinen Galgen auf. Haman verkörpert auf der
für Mordechai folgt: Haman soll vorschlagen,
einen Seite den Erzfeind der Juden Amalek, auf
wie man einen Günstling belohnt, und dieser
der andern Seite den Judenhasser aller Zeiten, der
Günstling ist nicht er, sondern Mordechai. Der
das jüdische Volk ausrotten wollte und immer
biblische Erzähler sieht in all dem die Verwirk-
wieder ausrotten will. Tragisch in der Geschichte
der Menschheit ist, dass solche Judenhasser nicht
Tragisch in der
aussterben und – noch tragischer – dass sie ihren
Geschichte der
Hass immer wieder wie eine Saat in die Gemüter
Menschheit ist,
vieler ihrer Mitmenschen säen können, und dass
dass Judenhasser
diese «böse Saat» auch immer wieder aufgeht. nicht aussterben.
des Perserreiches – töten zu lassen, wird von kritischen Theologen wie Helmer Ringgren
Mordechai
(Das Alte Testament Deutsch 16/2, Seite 416) als «das unglaubhafteste Stück des ganzen Buches»
Mordechai wird uns als Gegenspieler Hamans
bezeichnet: «Sollte der König seine eigenen
geschildert, der im richtigen Moment die rich-
Untergebenen wirklich so preisgegeben und
tigen Entscheidungen trifft, so dass er Sieger im
ruhig zugesehen haben, wie sie niedergemetzelt
«Zweikampf Haman – Mordechai» bleibt. Doch
auch das «Glück» steht auf seiner Seite, indem der König sich genau zur rechten Zeit aus den Annalen des Reiches vorlesen lässt und erfährt,
dass er Mordechai die Belohnung für die Auf-deckung eines Anschlags auf ihn immer noch
Beim Gastmahl begegnen wir einer Ester, die zum
ersten Mal allein – ohne Mordechais Anweisun-
Der biblische Erzähler schildert uns Morde-
gen – das Geschick der Juden in die Hand nimmt.
chai einerseits als einen klugen Staatsmann, der
Ester entlarvt den Judenhasser, und der König
das Vertrauen des Königs gewann (8, 2), anderer-
begreift, dass er von Haman aufs Schändlichste
seits als Beschützer der Juden, «weil er für sein
hintergangen worden ist. Während der biblische
Wege zum Kind 1/2007
Erzähler bis jetzt Ester als beherrschte, einen küh-
die keine «Aussicht» mehr auf eine glückliche
len Kopf bewahrende Frau geschildert hat, lässt
Zukunft zulassen. Solch eine Situation gleicht
er die Leser nun ihre Verzweifl ung miterleben
einer «Wand», die sich plötzlich vor uns aufrich-
tet und kein «Weitergehen» mehr zulässt. Esters
Mit Ester erleben die
Lebensweg endet scheinbar in jenem Moment
Kinder, dass es im Leben
vor solch einer «undurchdringlichen Wand», als
auch aussichtslose Situa-
sie von der Unwiderrufl ichkeit des «königlichen
tionen geben kann.
Haman-Gesetzes» erfährt. Dann aber tut sich
plötzlich ein «Ausweg» auf: das neue Gesetz! Die-
es wieder der König und Mordechai, die die Ge-
ses neue Gesetz wird im Erzählvorschlag nicht in
schicke des Judenvolkes lenken. Trotzdem bleibt
seinem vollen Wortlaut geschildert. Mit der vor-
liegenden Erzählung möchten wir den Kindern aufzeigen, dass wir, wie Ester, die Hoffnung auf einen Ausweg aus den ausweg losesten Situationen
Der Weg zum Kinde
nie aufgeben dürfen. Dieses Erzählziel kann die Unglaubwürdigkeit der vielen glücklichen Zufäl-
Mit Ester erleben die Kinder, dass es im Leben
le während der Handlung in den Hintergrund
auch aussichtslose Situationen geben kann,
Liturgisch-kreativ 1/2007 Wege zum Kind
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