Werbebotschafter der Industrie nutzen zuneh-
mend das Internet, um die Zielgruppe der Best
Ager zu erreichen. Spezielle Portale bieten eine
attraktive Plattform, erläutert Alexander Wild,
Feierabend Online Dienste für Senioren AG.
MARKENARTIKEL: Wie agieren aus Ihrer Erfahrung, Herr
nen, die etwa einen Test durch Feierabend-Seniorens-
Wild, die Markenhersteller als Werbebotschafter bis-
couts mit E-Mail-Marketing und Content-Placement
her im Internet?
verbinden, erzielen bei uns die besten Erfolge.
ALEXANDER WILD: Immer noch erstaunlich vorsichtig und zurückhaltend. Noch längst haben sich nicht alle Mar-
MARKENARTIKEL: Wie ernst nimmt die Markenartikel-
kenartikler dem Charakter des Internets und seinen
industrie nach Ihren Beobachtungen die Zielgruppe
Chancen geöffnet. Natürlich funktioniert Marketing
50plus, wo werden Fehler gemacht?
hier anders als auf den klassischen Einbahnstraßen
WILD: Die Situation hat sich in den letzten Jahren ganz
Print, TV oder Radio. Und natürlich hat die Zurück-
klar verbessert. Im Jahr 2000 hatten wir ein Seminar
haltung auch damit zu tun, dass die Nische Internet zu-
mit dem – zugegebenermaßen bissigen – Titel »Senio-
nächst für »große« Marken weniger interessant war als
ren agil – Wirtschaft senil?« geplant. Wir hatten ja so
für »kleine« Marken, die ebenfalls Nischen bedienen.
recht und mussten die Veranstaltung mangels Nach-
Vor allem aber scheinen gerade die großen Marken
Angst vor Kritik der Web 2.0-Gemeinschaft zu haben.
Das ist, wie wir bei Feierabend immer wieder beob-
achten, wahrlich unnötig. Nicht nur, weil die Mar-
kenartikler ihren eigenen Angeboten mehr Vertrauen
entgegenbringen sollten. Auch, weil die »Schwarmin-
telligenz« hier wirklich funktioniert: Wo Produkte, wo
Dienstleistungen boshaft, ungerechtfertigt oder über-
zogen kritisiert werden, finden sich umgehend zehnmal
so viele Stimmen, die den Angegriffenen verteidigen. Zusatzeffekt: Positive Stimmen sind viel glaubwürdi-ger, wenn auch einzelne negative auftauchen.
MARKENARTIKEL: Und was hat sich in den letzten beiden Jahren geändert? WILD: Die letzten beiden Jahre zeigen deutlich, wohin die Reise geht. Wir haben bei Feierabend.de weniger Bannerwerbung. Stark zu nimmt dagegen Content- Placement in den Thementreffs, wo sich die Mitglieder über alles vom Auto über Diabetes bis zum Wohnen
Vor mehr als zehn Jahren gründete Alexander Wild Feierabend.de.
informieren und diese auch diskutieren. Hohe Rele-
Heute ist er Vorstandsvorsitzender der Feierabend Online Dienste
vanz haben auch Direktmarketing und Tests durch
für Senioren AG. Der Diplomkaufmann war 1992 ein Jahr lang
Feierabend-Seniorenscouts. Banner werden heute vor
Bezirksleiter im Lebenmittelhandel bei Aldi und 1996 Manager für
allem eingesetzt, um auf Aktionen, Themen und an-
Multimedia-, Internet- und Marketingkongresse bei Management
dere Maßnahmen hinzuweisen. Integrierte Kampag-
Feierabend.de: Treffpunkt der Generation 50plus und Plattform für Werbung, die mit der Zielgruppe kommuniziert.
bis 85-Jährigen einer einzigen Zielgruppe zuzuordnen,
chen. Hier hat es erstaunlich wenige Verschiebungen
gegeben. Nahezu alle unserer Werbekunden sind Mar-
In den letzten beiden Jahren ist viel passiert. Die Un-
kenhersteller und Markenanbieter. Die drei Schlüs-
ternehmen interessieren sich endlich wirklich für die
selthemen sind Lifestyle (Plus/Minus 40 Prozent) mit
Älteren. Das merken wir bei der Nachfrage nach Tests
den Branchen Mode, Einrichten und Wohnen, Auto-
durch die Feierabend-Seniorenscouts. Im Auftrag von
mobil, F&B inklusive Convenience, Verlage, Versiche-
Unternehmen überprüfen sie Produkte und Dienstleis-
rungen. An zweiter Stelle steht Reise/Touristik (rund
tungen auf Herz und Nieren und geben den Anbie-
30 Prozent) mit Werbung von Reiseanbietern, Hotel-
tern neue Ideen und Impulse. Die Feierabend-Senio-
ketten, Kurorten und Kreuzfahrten. Dicht darauf folgt
renscouts wiederum reagieren ausgesprochen positiv
Gesundheit/Wellness (etwa 25 Prozent) mit Pharma-
darauf, dass sie endlich selbst gefragt werden, wenn es
und Medizinprodukten über Nahrungsergänzungs-
um Angebote für ihre Generation geht. Und darüber
mittel bis hin zu gesunder Ernährung. Nur fünf Pro-
berichten sie bei Feierabend.de und vermutlich auch
zent der Werbung wird durch weitere Kunden, etwa in
in weiteren Foren. Mit dem Ergebnis, dass wir hier
den Bereichen Soziales und Non-Profit, belegt.
Marktforschung, Imagepflege und Produktwerbung zu einem höchst positiven Gesamtbild verbinden.
MARKENARTIKEL: Sie sprachen von der Zurückhaltung der großen Marken. Rechnen Sie für 2009 mit mehr Mut?
MARKENARTIKEL: Wie »tickt« die Zielgruppe und wie
WILD: Entwicklungen wird es sowohl auf der quanti-
muss die Ansprache aussehen?
tativen wie auf der qualitativen Ebene geben. Mit der
WILD: Unsere Vorstellungen von »Senioren« passen
Entwicklung des Internets zum Massenmedium wer-
schlecht zur Realität der sogenannten »Best Ager«. Die
den auch die großen Marken hier stärker investieren.
heute 60-Jährigen sind Kinder der Studentenbewegung
Die Online-Kampagnen werden den Charakter von
und des Wirtschaftswunders. Sie waren jung in einer
Web 2.0 aufnehmen und sich auf die kommunikati-
Zeit, in der viel ging und alles möglich schien. Viel-
ven Bedürfnisse der aktiven Nutzer einstellen. Künf-
leicht sind sie deshalb so selbstbewusst, fordernd und
tig wird die direkte Kommunikation mit den Kunden
anspruchsvoll und so neugierig, mutig und experimen-
in den Mittelpunkt des Marketings rücken und das
tierfreudig. In der Folge sind sie weniger markentreu.
Marketing noch weiter aufgewertet werden. Viele un-
Bekannte hochwertige Produkte und Marken haben
serer Kunden wissen sehr genau, dass die ältere Ge-
natürlich einen »Bonus« – aber der ist bei Unzufrie-
neration in Krisenzeiten wie diesen ein sicheres Ein-
denheit schnell verspielt. Und damit eine Marke nicht
kommen hat. Auch bei unseren Mitglieder landeten
einfach mal »Pech« hat und der bloßen Neugier zum
die Ersparnisse wohl eher auf deutschen Sparkassen-
Opfer fällt, muss sie aktiv werden. Das betrifft die Wer-
konten als in Island oder bei Lehman & Co.
bung, den Service und viele andere Punkte mehr.
MARKENARTIKEL: Wie beurteilen Sie vor diesem Hinter-
MARKENARTIKEL: Welche Branchen machen auf Senioren- grund die eigenen Portale der Markenartikler? seiten das Rennen, gibt es Verschiebungen, Herr Wild?
WILD: Viele Markenartikler haben wunderschöne eige-
WILD: Ich kann natürlich nur für Feierabend.de spre-
ne Seiten. Allerdings läuft diese Kommunikation meist
Pfanne und Wok auf dem Prüfstand: Feierabend- Seniorenscouts testen Fissler-Produkte im Kochstudio.
als klassische Einbahnstraße – ein »Kontakt«-Button
WILD: Viele – um nur zwei zu nennen: Was passiert,
macht noch kein Web 2.0. Unternehmen, die versu-
wenn ein geschwindigkeitsaffiner Ex-Polizist und ein
chen, eine eigene Community aufzubauen, haben mit
auf Sparsamkeit und Bequemlichkeit bedachter Taxi-
zwei Problemen zu kämpfen: Ein aktive Community
Unternehmer das gleiche Auto testen? Die beiden Au-
lässt sich nicht aus dem Boden stampfen. Das gilt erst
tokenner und Vertreter gegensätzlicher Fahrstile lobten
recht für die anspruchsvolle Zielgruppe 50plus. Da-
übereinstimmend den Renault Laguna. Das schaffte
mit dieses funktioniert, ist viel Geduld und Manpower
Aufmerksamkeit in der Community und neugierige De-
nötig. Zweitens hat das Portal eines Herstellers oder
batten. Schon beim Aufruf zum Test per Stand-Alone-
Dienstleisters nie die gleiche Glaubwürdigkeit wie ein
Mailing hatten sich mehrere Hundert Interessenten ge-
neutrales. Wer dieses Problem umschiffen möchte, in-
meldet. Probefahrten und der Verkauf verschiedener
dem er ein scheinbar neutrales Portal gründet, kann
Renault-Typen stiegen bundesweit messbar an.
sicher sein, dass er auffliegt, und diesen Imageverlust
Die Kneipp-Werke stehen für umfassende Gesundheits-
und Wellnessangebote. Um dieses der gesundheitsbe-wussten Generation 50plus zu kommunizieren, hat
MARKENARTIKEL: Sie sind sehr selbstbewusst. Aber welche
Feierabend einen eigenen Thementreff für Kneipp auf-
Portale nehmen Sie als Wettbewerber ernst?
gebaut, der über den Feierabend-Rundbrief kommuni-
WILD: Alle. Bis sie wieder verschwinden. Wir haben,
ziert wird. Hier geht es um Geschichte und Philosophie,
seit wir Feierabend machen, viele Portale kommen und
hier finden die Leser Tipps für die Anwendung im All-
gehen sehen. Teils mit irrsinnig hohen Investorengelden
tag und Informationen über Produkte und den Zugang
ausgestattet, haben sie es nicht geschafft, eine funkti-
zum Shop nebst Katalog- und Newsletterangeboten.
onierende Community aufzubauen. Fast so lange am Markt wie wir ist das Forum-fuer-Senioren.de, relativ
MARKENARTIKEL: . und weitere Markennamen, die ge-
jung ist Platinnetz.de dazu gekommen. Wir selbst emp-
lungen das Medium nutzen …
fehlen unseren Werbekunden immer, sich neben der
WILD: Klepper, die Outdoorjacke aus dem Hause Wal-
Größe auch das Umfeld der Community anzuschau-
busch, wurde von Hundebesitzern und Wanderern
en. Natürlich ist die Zahl derer, die sich an Nacktbild-
getestet; Bannerwerbung und Mailings begleiten die
chen knackiger 60-Jähriger erfreut, hoch – fragt sich
Kampagne. Menschen mit erhöhten Cholesterinwer-
nur, ob diese auf Werbung für Outdoor-Mode, Küchen-
ten testeten Deli Reform Diät-Margarine. Für Becel ha-
einrichtungen oder Kosmetika ansprechen. Abgesehen
ben wir zur Teilnahme am DeutschlandWalk mit Ro-
von der Frage, ob die werbenden Unternehmen sich in
si Mittermaier aufgerufen. Die regelmäßigen Mailings
einem Umfeld präsentieren möchten, in dem ein öffent-
für Cialis, ein Potenzmittel von Lilly Pharma, besche-
licher Fotowettbewerb für einen Kalender mit Erotik-
ren immer wieder weit überdurchschnittliche Klickra-
ten. Der Thementreff für den Bayer Diabetes Service gehört zu den meistbesuchten der Feierabend-Com-
MARKENARTIKEL: Ein Blick in die Praxis. Welches kon-
munity. Zur Zeit prüfen kritische SeniorenScouts die
krete Vorzeigebeispiel aus der Markenartikelindu- strie fällt Ihnen ein?
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